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Keine Atempause, Geschichte wird gemacht

„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran", das ist eine adäquate Möglichkeit, die Wirklichkeit der Reportage-Fotografie von Thomas Leuner zu kommentieren. Man singt und tanzt und schreit sich durch frühen 80er Jahre in der befreiten Zone West-Berlin. Wenn man dabei gewesen ist, lösen die Bilder aus dem SO 36, dem KOB oder dein Loft den Erinnerungsfilm an unglaubliche Konzerte aus. Der Mann mit der Kamera war dabei und gehörte nicht dazu. Er war der objektive Bildberichterstatter. Er hat die Euphorie festgehalten und das versammelte Elend, wenn die Betäubung nachließ. Das Fotoreportagenbuch zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass sich der Fotograf auch auf die Szene der gnadenlosen eingeborenen Inselproletarier einließ, die am Samstag in die Laube zieht, um sich dort zu besaufen. Man muss also weder in der einen noch in der anderen Szene zu Hause gewesen sein, um zu spüren, wie im Inselstädtchen parallele Welten existierten, die das eine oder andere Mal auch aneinander gerieten. Eine bemerkenswerte Zeit mit dem entsprechenden Buch. Q.

Tipp stadtmagazin berlin Nr.25/03 (Dez.03)

FÜR REALISTEN

Fotobuch

Über die 80er ist in den letzten drei Jahren so viel Richtiges und so viel Blödsinn gesagt und geschrieben worden, dass sich nur noch eine ganz besondere Veröffentlichung gegen das weiße Rauschen durchsetzen kann. Thomas Leuners Fotoband Im Schatten des Adlers ist solch eine besondere Veröffentlichung. Der 1948 geborene Fotograf aus Berlin bekennt sich zur so genannten ,;Direkten Photographie", zu einer Autorenhandschrift aus dem Off, die sich gegen die Inszenierungen der Fotokunst wendet, wie sie derzeit die Ausstellungen beherrschen. Seine körnige Schwarzweißaufnahmen, kombiniert mit Songtexten und tagebuchartigen Notizen, handeln von den Protestbewegungen der frühen 80er Jahre in West-Berlin, von Demos, dem Müll unter dem WG-Tisch und Gesichtern, auf denen sich eine von Ohnmachtgegenüber den politischen Verhältnissen gespeiste Wut spiegelt. Wäre „authentisch" nicht solch ein missbrauchter Begriff, es wäre die treffendste Vokabel für Thomas Leuners Buch. / cwa

Zitty - Stadtmagazin Berlin, Dez.03

 

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